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Analyse der Wahrnehmung der Nutztierhaltung durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen im Diskurs (Task 1.3)

1. Zielsetzung

  • Untersuchung der derzeitigen Wahrnehmung der Nutztierhaltung (Rinder-, Schweine- und Geflügelhaltung) durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen (Verbraucher, Bürger, Landwirte)
  • Ermittlung von wichtigen Werten für die einzelnen Gruppen
  • Identifizierung von veränderten Sichtweisen der Gruppen, wenn diese mit Argumenten anderer Gruppen konfrontiert werden

2. Vorgehensweise

Zu Beginn werden in einer Literaturanalyse die Ergebnisse bisheriger Studien zur Wahrnehmung der Nutztierhaltung zusammengefasst. Ergänzend erfolgt eine ethisch-moralische Diskussion. Anschließend wird die aktuelle gesellschaftliche Wahrnehmung der Nutztierhaltung durch Gruppendiskussionen mit Verbrauchern und Bürgern erhoben. Dabei wird identifiziert, welche Vorstellungen über die gegenwärtige Nutztierhaltung existieren und welche moralischen Bewertungen die Teilnehmer diesbezüglich vornehmen. Ferner wird erarbeitet, welche Wünsche und Erwartungen aus diesen Bewertungen resultieren und welche Formen der Tierhaltung mehr oder weniger akzeptiert werden. Parallel dazu werden Gruppendiskussionen und Einzelinterviews mit Landwirten durchgeführt. Darin geht es um die Gründe für die gewählte Tierhaltungsform, deren Bewertung und damit verbundenen etwaigen moralischen Problemen. Erfasst werden außerdem Wünsche, die aus den Problemen resultieren und alternative Formen der Tierhaltung, die ggf. durch die Landwirte akzeptiert werden könnten. Im dritten Schritt werden unter Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse Gruppendiskussionen mit Bürgern/Verbrauchern und Landwirten gemeinsam geführt. Ziel ist, Punkte zu identifizieren, die zu mehr Verständnis für die jeweils andere Gruppe führen können sowie die größten Unterschiede zwischen beiden Gruppen festzustellen. Um die Ergebnisse der Bürgerdiskussionen auf Deutschland übertragen zu können, wird unter Berücksichtigung der zentralen Ergebnisse eine standardisierte, deutschlandweite Befragung durchgeführt. Dabei werden unter Einbeziehung vielzähliger Variablen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen identifiziert.

3. Daten und Methoden

In diesem Teilprojekt werden jeweils Gruppendiskussionen mit Bürgern/Verbrauchern und Landwirten geführt (homogen). Anschließend wird mit beiden Akteuren gemeinsam diskutiert (heterogen). Schwerpunktmäßig geht es hierbei um den Dialog der Diskussionsteilnehmer untereinander. Bei den heterogenen Gruppendiskussionen werden den Teilnehmern außerdem vorher und nachher Aussagen vorgelegt, die mittels einer Skala zu beantworten sind, um Veränderungen in der jeweiligen Position durch die Diskussion zu erfassen. Um die Ergebnisse der homogenen Gruppendiskussionen mit Bürgern/Verbrauchern zu überprüfen, wird eine bevölkerungsrepräsentative Online-Befragung durchgeführt.

4. (vorläufige) Ergebnisse

1. Gruppendiskussionen mit Bürgern zur aktuellen Wahrnehmung der Nutztierhaltung

  • Verbreitet ist – unabhängig von der gehaltenen Tierart – die sprachliche Gegenüberstellung von „Industrielandwirtschaft“, „Tierfabrik“ und „Manager/Geschäftsführer“ einerseits sowie „Bio-“, „Bauernhof“ und „Bauer“ andererseits. Dabei wird fast durchgängig die Meinung vertreten, dass die erstgenannten Begriffe mit einer billigen, aber schlechten Tierhaltung verbunden sind und die letztgenannten Begriffe mit einer guten, aber teuren Tierhaltung.
  • Nicht wenige Befragte sind davon überzeugt, dass die heute mehrheitlich praktizierten Formen der Tierhaltung moralisch nicht vertretbar sind, da sie in einem unverhältnismäßigen Umfang Schmerzen und Leiden der Tiere in Kauf nehmen.
  • Kritisch wahrgenommen werden auch der Anteil der Nutztierhaltung an Klima-, Umwelt- und Naturschutzproblemen sowie ihr ungünstiger Einfluss auf die Welthungerproblematik.
  • Einige der Befragten berichten, dass diese Kritikpunkte der heutigen Nutztierhaltung ihnen den „Appetit“ bzw. den „Genuss“ entsprechender Lebensmittel verdorben hätten.

Speziell zu den verschiedenen Tierarten können die bisherigen Ergebnisse wie folgt zusammengefasst werden:

Wahrnehmung der Schweinehaltung:

  • Die Schweinehaltung wird von Befragten häufig als nicht artgerecht beschrieben; Platzangebot, Frischluftzufuhr und Spaltenböden werden besonders kritisiert
  • Verbreitet ist auch die Vorstellung, dass aufgrund der intensiven Haltungsbedingungen ein hoher Medikamenteneinsatz erforderlich sei.
  • Besorgt zeigen sich die Befragten vor allem in Bezug auf Medikamentenrückstände im Endprodukt Schweinefleisch sowie in Bezug auf Resistenzbildungen durch den hohen Antibiotikaeinsatz. Aber auch die Sorge um das Wohlbefinden der nach Einschätzung der Verbraucher häufig nicht gesunden Tiere spielt eine große Rolle.

Wahrnehmung der Rinderhaltung:

  • Ein als unzureichend beschriebenes Platzangebot, i.d.R. fehlender Weidegang und der Einsatz von Kraftfutter sind zentrale, kritische Aspekte in den Vorstellungen zur Rinderhaltung. Die intensive Haltung von Rindern für die Fleischgewinnung wird dabei noch etwas stärker kritisiert als die Haltungsbedingungen von Milchkühen.
  • Nicht wenige der Befragten gehen davon aus, dass Rückstände von Antibiotika und anderen Medikamenten in die Milch gelangen und ungewollt vom Verbraucher konsumiert werden.

Wahrnehmung der Geflügelhaltung:

  • In der Gesellschaft sind „Horrorbilder“ über die konventionelle Geflügelhaltung vorhanden. Bereits durchgeführte Verbesserungen (wie bspw. das Verbot der Käfighaltung) sind den Befragten größtenteils nicht bekannt.
  • Ein als zu gering eingeschätztes Platzangebot und eine als missbräuchlich bezeichnete Medikamentengabe (u.a. zur Leistungssteigerung) sind in der Wahrnehmung vorherrschend. Dabei wird die Legehennenhaltung als „schlechter“ wahrgenommen als die Masthähnchenhaltung, zu der häufig kaum Vorstellungen existieren.
  • Viele Befragte äußern ein fehlendes Vertrauen in die gängigen Kennzeichnungssysteme bei Eiern und Hähnchenfleisch.

2. Gruppendiskussionen mit Landwirten zur Wahrnehmung der Tierhaltung

  • Die Landwirte sehen deutliche Verbesserungen bei den Haltungsbedingungen der Tiere und bei der Arbeitswirtschaftlichkeit in den letzten Jahren. Grund dafür ist u.a. die zunehmende Technisierung.
  • Aus den Beobachtungen zum Tierverhalten leiten die Landwirte Bedürfnisse der Tiere ab. Tierwohl machen sie am Gesundheitsstatus, an Leistungen, Schlachtbefunden, am Aussehen, an der Kondition und am Wohlbefinden der Tiere fest.Gesellschaftliche Kritik an den Haltungsverfahren empfinden die Tierhalter als Herausforderung. Sie fühlen sich in der Defensive und machen teilweise die Medien dafür verantwortlich.
  • Der emotionale Zugang zu den Tieren ist präsent, allerdings schwer zu verbalisieren. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Tierhaltung stehen dem gegenüber und führen zu Wertekonflikten seitens der Tierhalter.

3. Gemischte Gruppendiskussionen: Landwirte und Verbraucher diskutieren gemeinsam

Thema Schweinehaltung:

  • Verbraucher haben eingeschränkte Informationen zur Schweinehaltung. Sie sind unsicher in der Bewertung, wann es den Schweinen gut geht, zeigen gleichzeitig Interesse an der Tierhaltung und am Tierwohl.
  • Nach der gemeinsamen Gruppendiskussion zeigen Verbraucher mehr Verständnis für Schweinehalter und Produktionsverfahren, allerdings führen nicht alle Erklärungen und Überzeugungsversuche der Landwirte zu mehr Akzeptanz. Auch seitens der Landwirte erhöht sich das Verständnis für die Verbraucher.

Thema Milchviehhaltung:

  • Direktvermarktung wird sowohl von Milchviehhaltern als auch von Verbrauchern als geeignete Möglichkeit erachtet, um eine größere Nähe zwischen Produzenten und Konsumenten herzustellen.
  • Kritisch beurteilen die Verbraucher in den Gesprächsrunden den Einsatz von Kraftfutter, der laut Landwirten für eine rentable Milchleistung erforderlich sei. Die Verbraucher können diese Argumentation vor dem Hintergrund von Überproduktion und schwachem Milchpreis nicht nachvollziehen.

Thema Geflügelhaltung:

  • Die Geflügelhalter fühlen sich in der aktuellen Mediendebatte zu negativ dargestellt und bewerten die öffentlichen Diskurse als nicht objektiv. Gleichzeitig weisen die Geflügelhalter häufig auf wirtschaftliche Zwänge hin, die sie an der Umsetzung von verbesserter Haltung hindern.
  • Die Verbraucher sind interessiert an den „tatsächlichen“ Verhältnissen in der Geflügelhaltung.

5. Vernetzung mit folgenden anderen Tasks bzw. Teilprojekten

Wie die Nutztierhaltung durch unterschiedliche Akteure wahrgenommen wird und wie sich die Akteure im Diskurs verhalten, ist Schwerpunkt dieses Tasks. Die Ermittlung von Akzeptanz (Task 1.1) sowie Ansprüchen (Task 1.2) ist damit eng verknüpft. Entsprechend erfolgt eine enge Abstimmung zwischen den Projektpartnern, um mögliche Überschneidungen zwischen diesen Tasks zu vermeiden und stattdessen Unterschiede explizit zu benennen.

6. Ansprechpartner

Thünen-Institut für Marktanalyse, Braunschweig

7. Beteiligte Partner

  • Fachhochschule Südwestfalen, Soest
  • Privates Forschungs- und Beratungsinstitut für angewandte Ethik und Tierschutz INSTET gGmbH, Berlin
  • Georg-August Universität Göttingen
  • Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

8. Veröffentlichungen oder weitere Links

  • Mergenthaler, M.; Wildraut, C. (2016): So brechen Sie Fronten auf. DLG-Mitteilungen 1/17: 76-79.
  • Mergenthaler, M. (2016): Tierwohl aus Sicht von Landwirten und Verbrauchern. 31. Wissenschaftliche Fachtagung Lehr- und Forschungsschwerpunkt „Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft. 05.10.16, Soest.
  • Rovers AK.; Christoph-Schulz, I.; Brümmer, N.; Saggau, D. (2016) Tierwohl: Näher beieinander als gedacht. Elite(4):32-33.
  • Sonntag, W.; Spiller, A. (2016): Wege zu einer akzeptierten Nutztierhaltung. Vortrag auf der Tagung der Bundeszentrale Informationsveranstaltung der BAG Familie und Betrieb - Bundesarbeitsgemeinschaft der Landwirtschaftlichen Familieberatungen und Sorgentelefone e.V.: Landwirtschaft zwischen "Wir machen euch satt" und "Wir haben es satt". 03.-05.06.16, Steingaden.
  • Wildraut, C.; Mergenthaler, M. (2016): Bewertung und Einordnung der Tierhaltung in Deutschland aus Sicht von Landwirten. 1. Deutsches Hochschulforum - Ökonomie und Innovation in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, Osnabrück, 21.04.16.
  • Mergenthaler, M. (2016): Nutztierhaltung im Spiegel der Gesellschaft - erste Ergebnisse des Projektes SocialLab. Soester Agrarforum, Soest, 08.01.16.
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